Konzert in evangelischen Kirche Gais AR

Zwei Chöre sorgen für Musicalatmosphäre

Gais AR   Es ist eine dankbare Angelegenheit, in Gais zu konzertieren. Was immer auch an Musikalischem geboten wird, kommt hier gut an. Diese Erfahrung durfte auch der Chor Gais ein weiteres Mal machen. Und zum Zuspruch eines erkennbar beeindruckten Publikums konnte sich auch der Männerchor aus dem solothurnischen Hägendorf eine Scheibe abschneiden. Dem Umstand, dass er in Robbert van Steijn den gleichen Leiter hat wie der Chor Gais, verdankte er den mit dem Vereinsausflug verbundenen Auftritt im Appenzellerland. Nächstes Jahr wird dann der Chor Gais in Hägendorf Gegenrecht halten.

Gefühle spielen lassen
Singen ist ja mehr als bloss die Stimmbänder in Aktion zu bringen und sich entlang der Notenlinien bewegen. Wenn das Gebotene bei der Zuhörerschaft ankommen soll, muss Gefühl und Ausdrucksstärke ins Spiel gebracht werden. Wer singt, muss sich ganz hineingeben in die Komposition, muss das Melodische auskosten wissen und ihm Gestalt verleihen. Robbert van Stein hat ganz offensichtlich die Gabe, seinen Chören diese Erfordernisse vermitteln zu können.

Ohrwürmer und anderes
Mit launigen Überleitungen führte der Dirigent durch gut anderthalb Stunden, die viel Bekanntes bereithielten, aber doch auch Türen zu weniger Geläufigem öffnen und erst noch Ingrendienzien aus dem Jazzgärtchen kosten liessen.

Beim Blick Auf den Programmzettel begegnete man Georg Gershwin, Andrew Lloyd Webber, Leonard Bernstein, Richard Rogers, John Kander oder Claude-Michel Schönberg – lauter Namen von Komponisten, die für Werke mit hohem Ohrwurmfaktor stehen. «Fein und graziös wiedergegeben» notierten wir bei «I don’t know to love him» aus «Jesus Christ Superstar». In flottem Rhythmus kam «Puttin’ on the Ritz» daher und liess den Funken aufs Publikum überspringen. Englisch, in tadelloser Aussprache übrigens, blieb auch in «Some enchanted evening», in «Love is he answer» und in «Oklahoma» die Sprache des Abends. In diesem Block fiel uns die dezente Begleitung durch Roman Wüthrich (Keyboard), Elmar Lindenmann (Bass) und Klaudiusz Zylinski (Perkussion) besonders auf, wie sie überhaupt dem ihnen zugedachten Begleitpart vollauf gerecht wurden.

Solothuner Gastgeschenke
Stattlich nahm er sich aus, der Männerchor Hägendorf, wie er da zu Füssen der Orgel Aufstellung nahm – auch wenn er wohl mit praktisch allen Männerchören ein ähnliches Schicksal teil: Die Stimmregister dürften stärker mit Nachwuchs durchwachsen sein. Doch auch in der momentanen Zusammensetzung darf sich der Chor weiss Gott hören lassen. Und den Solothurnern sei überdies zugute gehalten, dass sie mit Walter Jurmanns «Veronika» immerhin bereits den Lenz ins novembrige Gais brachten und mit dem Mitwiegen animierenden «Island in the sun» Fernweh nach der Karibik anfachten. Sehr gut kamen auch die Dauerbrenner «Hello Dolly», das von Frank Sinatra in den Kultusstatus erhobene «New York, New York» und ein Medley aus «Showboat» an.

Solostische Einschübe
Die solistischen Auftritte von Claudia Iten und Martin Mairinger empfand man als deliziöse Einschübe in die Chorvorträge. Von «Maria» aus der Bernsteins West side Story – sie gilt vielen als die Mutter des Musicals – blieb wohl niemand unberührt, genauso wenig wie von den ungemein zart interpretierten Duetten aus «Phantom of the Opera» und aus «Miss Saigon». Mit «Gold von den Sternen» aus dem Musical «Mozart» von Sylvester Levay gab Claudia Iten eine weitere überzeugende Kostprobe ihres Könnens.

Höhepunkt und Abschluss des Konzertes war eine längere Passage aus «Les Misérables», die an alle Beteiligten bestens gemeisterte Ansprüche stellte. Dabei erwies sich, dass der Chor Gais in der glücklichen Lage ist, solistische Aufgaben auch aus den eigenen Reihen abdecken zu können, wofür Marina Grunder, Gabi Solenthaler, Willy Kohler und Stephen Oliver stehen. Apropos stehen; Nach dem Verklingen des letzten Tons gab es eine Standing Ovation.

Martin Hüsler

Erschienen in der Woche vom 11. Nov. 2019 in der Appenzeller Zeitung, NOZ und Oltner Tagblatt

Zurück